Unternehmensnachfolge, oder: Ist heute ein guter Tag für die Nachfolge?

Vom Alltag der Übergeber und Übernehmer in Deutschland

Sie kennen das.
Sie haben vor vielen Jahren Ihre Firma gegründet oder innerhalb der Familie übernommen. Egal ob Handel, Produktion, Handwerk oder Dienstleistung, es ist Ihr „Erstgeborenes“.

Sie als Gründer bauen Ihr Unternehmen nach Ihren Vorstellungen, Werten und Grundsätzen auf. Sie investieren Ihre Zeit uneingeschränkt, vernachlässigen dabei eventuell sogar Ihre Familie oder Ihr soziales Umfeld, damit Ihr Unternehmen wächst und Krisen wie auch Schwierigkeiten trotzt. Ihre Firma wächst an Umsatz, Mitarbeitern und Verantwortung. Es ist Ihr Lebenswerk, wer denkt da an die Unternehmensnachfolge?

Doch die Zeit bleibt nicht stehen, was nun?

Im Alter soll alles, was Sie über viele Jahre und Jahrzehnte auf- und ausgebaut haben, an die nächste Generation weitergegeben werden. An Ihre Tochter, Ihren Sohn, einen bewährten Mitarbeiter oder einen passenden Geschäftspartner von außerhalb. Diese Menschen sollen aber ihr Herzblut investieren und Ihr Unternehmen in Ihrem Sinne fortführen.
Diese Situation ist verdammt schwierig. Nicht nur für Sie, Ihre Nachfolgerin bzw. Ihren Nachfolger und Ihre Familie, sondern auch für Ihre Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner (Lieferanten, Banken, Dienstleister …). Die Erfolgsgeschichte soll sich ja fortsetzen.

Ein bekanntes Szenario mit einigen heiklen Fragen:

Was ist zu tun?
Wann ist es zu tun?
Mit welcher Unterstützung?

Schauen wir uns mal den Nachfolgemarkt in Deutschland an.

Fakten zur Unternehmensnachfolge im deutschen Mittelstand (und beim „Kleinen“ oder Handwerker sieht es kaum anders aus)

135.000 Unternehmer wollen sich zwischen 2014 und 2018 aus der Geschäftsführung zurückziehen.

Diese Unternehmen repräsentieren ca. 335 Milliarden Euro Jahresumsatz und ca. 2 Millionen Arbeitnehmer.

 

In Baden-Württemberg sind es alleine schon 19.000 Betriebe mit mehr als 50 Milliarden Euro Umsatz und ca. 300.000 Arbeitnehmern.

 

Welche Ängste und Probleme sehen die abgebenden Unternehmer?

  • Keine rechtzeitige Vorbereitung: 44 %
  • Keine geeigneten Nachfolger: 43 %
  • Überhöhte Kaufpreisvorstellungen: 40 %
  • Nicht loslassen können: 33 %
  • Fehlende oder falsche Altersvorsorge: 30 %
  • Furcht vor hoher Steuerbelastung: 21 %
  • Andere Gründe: 12 %

Welche Ängste und Probleme sehen potenzielle Nachfolger/Übernehmer?

  • Kein passendes Unternehmen: 46 %
  • Finanzierungsprobleme: 43 %
  • Unterschätzung der Anforderungen: 34 %
  • Unzureichende Qualifikationen: 22 %
  • Hohe Erbschaftsteuern: 18 %
  • Andere Gründe: 4 %

Welche Erkenntnisse kann man aus diversen Statistiken ziehen?

  • Die Zahl der zu übergebenden Unternehmen steigt seit 2010 kontinuierlich an.
  • Die Zahl der tatsächlichen Übernehmer geht seit 2009 zurück und hat sich seither fast halbiert.
  • Hat früher der Senior die Nachfolge bestimmt, so bestimmen heute die Nachfolger, ob sie überhaupt übernehmen wollen.
  • Fast jedes dritte zu übergebende Unternehmen wird in Zukunft keinen Nachfolger bekommen.
  • Die nächsten Jahre wird es zu einem Übergabestau kommen – sowohl innerhalb der Familie als auch an Familienfremde.

Diese Erkenntnisse sind durchaus besorgniserregend. Finden Sie nicht auch? Hinzu kommt noch die mangelnde Planung in der Unternehmensnachfolge. Schauen wir uns die Zahlen an, in welchem Zeitraum vor der Übergabe die Unternehmer sich Unterstützung ins Boot holen.

So viele Monate vor der geplanten Übergabe nahmen Unternehmer eine Nachfolgeberatung in Anspruch:

  • Weniger als 3 Monate: 7 %
  • 3 bis 6 Monate: 16 %
  • 6 bis 12 Monate: 31 %
  • 12 bis 24 Monate: 27 %
  • 24 bis 60 Monate: 15 %
  • Mehr als 60 Monate: 4 %

Erschreckend ist, wie wenig vorausschauend die abgebende Generation im Hinblick auf den Übergabeprozess aktiv wird. Über 50 Prozent der abgebenden Unternehmer fangen erst an, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen, wenn sie in weniger als einem Jahr ausscheiden wollen! Dabei sind die Unternehmer, die keine externe Nachfolgeberatung in Anspruch nahmen, noch nicht einmal berücksichtigt.

Da nehmen sich viele für eine EDV-Einführung mehr Zeit!

Folgende Fragen sollte sich der Übergeber stellen, um den Übergabeprozess von der menschlichen Seite aus gut vorzubereiten:

  • Ist mein geplanter Übernehmer persönlich geeignet, das Unternehmen zu führen?
  • Ist mein geplanter Übernehmer fachlich geeignet, das Unternehmen zu führen?
  • Wie gehe ich als Übergeber und wie mein geplanter Übernehmer mit der Angst und der Vision einer Nachfolge um?
  • Bin ich zur absoluten Offenheit gegenüber meinem Übernehmer bereit?
  • Kenne ich alle echten Antworten zu den „weichen Faktoren“ in meinem Unternehmen (z. B. Loyalität der Führungskräfte, Team- und Kommunikationsfähigkeit, Kunden- und Marktorientierung …)?
  • Wie gehe ich mit dem Generationenunterschied um?
  • Gibt es ein Wissensmanagement für technische Informationen, Abläufe und Prozesse und für die weichen Faktoren und Erfahrungen?
  • Habe ich einen Plan B?

Wie Sie unschwer erkennen können, sind das alles Fragen, die nichts mit Steuern, Recht oder Betriebswirtschaft zu tun haben. Dies ist ganz bewusst so. Denn wenn Sie die ganzen Fragen der Steuern, des Rechts und der Betriebswirtschaft mit den Kollegen besprochen haben und alles super aussieht, kann der Übergabeprozess noch immer floppen. Floppen, weil die menschliche Seite der Nachfolge komplett vergessen wurde. Dabei ist sie in unserer Betrachtung der wichtigste Faktor.

Achten Sie auf die Größe der „menschlichen Schuhe“, die Sie anziehen oder übergeben

Haben Sie noch Fragen? Kontaktieren Sie uns.

von Bernd Kollmann

Quelle aller Statistiken in diesem Bericht: Institut für Mittelstandsforschung, Bonn, 2014

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